Wer ich bin

Der Autor – von der Fiktion aus betrachtet

Ich könnte mit meinem Aufwachsen in Kärnten beginnen, von meiner Familie (der ich zu großem Dank verpflichtet bin, was die Liebe zum Lesen, den unbedingten Glauben an sich selbst oder das hartnäckige Verfolgen fixer Ideen betrifft) oder den besuchten Schulen und Bildungsinstitutionen erzählen – waren die vielen mittelmäßigen Lehrer am Ende doch eine gute Schule für mich?

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Das alles ist sehr lange her. Weitaus wichtiger für mich als Autor sind meine beruflichen Erfahrungen, die den Hintergrund für die gewählten Schauplätze in meinen Krimis bilden: die Jobs in der Unterhaltungs- und der Spirituosenbranche, mehr als interessante Arbeitsverhältnisse, die mir andere Welten nähergebracht haben – Orte wie Ischgl, Wien oder Lech: zwei Wintersportresorts und die österreichische Bundeshauptstadt – drei vollkommen verschiedene Bühnen für ebenso unterschiedliche Krimis. Und den vielen dahinter liegenden Vorstellungen, Projektionen, und Ideen, die ich anhand von vier Punkten näher vorstellen möchte:


Die Gastronomie als Wille und Vorstellung

Das Schöne an der Gastronomie sind ihre offenen Türen. Die geringen Vorbehalte. Und eine allgemeine Offenheit gerade Menschen gegenüber, deren Lebensläufe aus abgebrochenen Schulen, verschwiegenen Lebensjahren und anderen schwer vermittelbaren Handicaps bestehen. Auf der anderen Seite ist die Gastronomie ein hartes Geschäft, das von vielen MitarbeiterInnen oft äußerst viel abverlangt: Wochenendarbeit, saisonaler Stress und eine relativ geringe Entlohnung bei mitunter mangelnden Zukunftsaussichten. Andererseits ein spannender Wirtschaftssektor, der ganz unterschiedliche Leute aus allen Gesellschaftsschichten anzieht – sei es als Unternehmer, Mitarbeiter, Gäste, Lieferanten und anderen Stakeholdern. Gerade die österreichische Gastronomie ist ein weites Land aus Millionen von packenden Geschichten – und doch in der (Kriminal-)Literatur leider stark unterrepräsentiert.


Diversity now!

Wer du bist, ist in der Gastronomie nicht entscheidend – was du machen kannst, umso mehr. Alter, Religion, sexuelle Identität, soziale Herkunft – was in anderen Branchen eine unüberwindliche Barriere sein konnte und oft genug immer noch kann, in der Gastronomie ist praktisch jeder und jede willkommen. Dieses Konzept der offenen Türen hat mich stets fasziniert – weil es kaum jemanden ausschließt. Die abertausenden Gaststätten, Bars, Pubs und Hotels stehen praktisch rund um die Uhr offen. Sind Herbergen für viele. Zufluchtsort für manche. Und Begegnungsstätten für alle.

Das Zeitalter bürgerlicher Verhaltensweisen geht langsam zu Ende. Statt der biologischen Familie rücken andere Formen des Zusammenlebens in den Fokus – auch von Kriminalromanen wie meinen: Inspektor Selikosky ist schwul, war aber auch verheiratet und hat aus dieser Ehe sogar einen Sohn. Harald, Elke und Simon kommen in allen drei Romanen vor, in jeweils unterschiedlichen Konstellationen – nichts ist fest und bestimmt, in Stein gemeißelt oder von religiösen Geboten dominiert. Veränderungen sind für alle in jeder Richtung jederzeit möglich. Und das ist gut so. Oder sollte es wenigstens sein.


Musik, Autismus und andere Wesentlichkeiten

Der zweite Krimi „Wiener Lied“ ist anders. Die Schauplätze sind andere, die Charaktere ebenso. Wien ist eine der Kulturmetropolen Europas – und ein (Kriminal-)Roman sollte dies berücksichtigen, ja einkalkulieren. Vor allem einer, der am St. Marxer Friedhof beginnt – und auch dort endet, wie mein „Wiener Lied“. Auf diesem Friedhof lag und liegt irgendwo der größte Komponist aller Zeiten (Wolfgang Amadeus Mozart), und genau auf dieser Ruhestätte, die nun ein Naherholungsgebiet und kein Friedhof mehr ist, wird ein sehr junger Musiker tot aufgefunden: Alexander Kugler, ein begnadeter Klavierspieler, Autist und der Nachwuchskomponist, der an einer Totenmesse gefeilt hat: Tod, Musik, psychische Devianzen – drei große „Wiener Themen“, die – in diesem Krimi ineinander verflochten – einen ganz eigenen Reigen ergeben. Einen Walzer in Schwarz-Weiß. Eine Geschichte, die auf den großen Dichotomien aufgebaut ist, auf „laut“ vs. „leise“, „schwarz“ vs. „schwarz“, „tot“ vs. „lebendig“. Radikal, einfühlsam und kompromisslos – das Fundament von großartigen Musikstücken oder vielleicht auch von einem ungewöhnlichen Krimi.


Fiktion – und nichts anderes

Das Schöne am Erzählen ist das Erfinden von Geschichten. Oder ihr Wieder-Finden. Einzelne Elemente aus dem eigenen Leben in den Kontext einer Kriminalgeschichte zu stellen – von einer bestimmten Idee ausgehend einem ausgedachten Ende entgegenschreiben: das Abenteuer des Erzählens liegt dazwischen, in den kreativen Schüben, die in meinem Fall oft nachts immer neue Figuren, Konstellationen und überraschende Wendungen hervorbringen, zwischen meinem seichten Schlaf und dem halbwachen Tippen auf den schwarzweißen Laptop-Tasten: der Bildschirm als Schauplatz und Schlachtfeld – meine ganze fiktive Welt, für Euch, meine Leserinnen und Leser aus der Tiefe des eigenen Lebens gehoben, auf ungefähr 300 Seiten pro Roman ausgebreitet und mit einem hoffentlich eleganten Schluss zu Ende erzählt.

Wenn ich es mir recht überlege, ist nichts so wirklich wie das Erzählte: das frei Erfundene. Oder Wiedergefundene – die Fiktion.