Was es ist

Meine Krimis

How To Start…

Am Anfang war es ein vages Gefühl, etwas festzuhalten zu müssen: Szenen aus dem Berufsleben, in dem ich mit der Gastronomie in ganz Österreich zu tun hatte. Kleine Begebenheiten, die man später irgendjemandem erzählen könnte. Oder auch nicht. Ich begann Kurzgeschichten zu schreiben, die in den Skigebieten angesiedelt waren, in Ischgl, St. Anton, in Obertauern oder Kitzbühel. Irgendwann spürte ich, dass dies niemanden interessieren würde. Kein Verlag veröffentlicht heutzutage Short Stories, und die Literaturzeitungen im deutschen Sprachrum sind eher auf Lyrik oder experimentelle Prosa spezialisiert – und erzielen keine nennenswerten Auflagen.

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Ich begann mich zu fragen, was die Leute überhaupt lasen. Ging in eine beliebige Buchhandlung (es war ein Thalia-Laden im Messepark Dornbirn) und schaute nach, welche Art von Büchern sich in der Nähe der Kassa stapelten – es waren Krimis. Zu beinahe 100 Prozent. Um also überhaupt eine Chance auf Veröffentlichung zu haben, war es notwendig Kriminalromane zu schreiben. Das Vorhaben mit den Kurzgeschichten aufzugeben – oder diese Short Stories als Textblöcke in einem Krimi (wieder) zu verwenden. Gesagt, getan. Ich montierte meine Kurzgeschichten zu einem Roman, konzentrierte mich auf einen Wintersportort – Ischgl -, erfand einen Ermittler namens Harald Selikovsky dazu und hatte irgendwann einmal 800 Seiten beisammen. Viel zu viel für einen Kriminalroman. Und viel zu kompliziert, zu verschachtelt, mit viel zu wenig Spannung, Suspense. Ich war am Ende, hatte keine Ahnung, wie ich mich aus dieser Sackgasse befreien konnte. Jede Seite schien mir wichtig zu sein. Ich hatte keinen Blick für das Ganze. Wusste eigentlich gar nicht, was ich wollte. Speicherte das Manuskript in einer Datei ab und vergaß es über Monate und Jahre hinweg.

Bis die Pandemie kam. Und nicht nur die Gastronomie geschlossen wurde, sondern das ganze Land. Der gesamte Kontinent. Beinahe die Erde als solche. Im März 2020, als die Wintersaison am Höhepunkt war. Ich holte, eingeschlossen in der Wohnung im dritten Wiener Bezirk, mein Manuskript wieder hervor und begann mit der für einen Autor wichtigsten Arbeit: den ersten Entwurf zu überarbeiten, zu kürzen, zu polieren.

Nach einigen Monaten war die erste Pandemie zu Ende und das Manuskript fertig. Zum ersten Mal sah es so ungefähr aus wie ein handfester Roman: 297 Din-a4-Seiten mit professionellem Zeilenumbruch, Kopf- und Fußzeilen, in der für Lektoren gewohnten Courier-New-Schrift. Der Roman sah endlich aus wie ein Roman. Aber er war noch keiner. Weder hatte ich einen Interessenten dafür, noch kannte ich irgendjemanden in der Verlagsbranche. Das Manuskript hundertfach an irgendwelche E-Mail-Adressen versenden wollte ich nicht. Erstens hatte ich weder die Ausdauer noch die Geduld dafür, zweitens graute mir vor lakonischen Absagen oder überhaupt ausbleibenden Antworten. Es gab so viele Leute, die irgendwas schrieben, und so wenige, die veröffentlicht wurden. Würde mir dasselbe Schicksal blühen? War das, was ich geschrieben hatte, überhaupt gut genug, um veröffentlicht zu werden? Solche Fragen kreisten in meinem Kopf herum wie Trabanten um einen noch unentdeckten Planeten.

Und dann hatte ich eine Idee. Eine gute, wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte: mir fiel ein, dass eine meiner Cousinen bereits mehrere Krimis veröffentlicht hatte. Bevor ich mich also auf irgendwelche Verlagsanschreiben einlassen würde, rief ich Andrea an und beichtete ihr, ebenfalls einen Krimi geschrieben zu haben. Fragte sie geradeheraus, ob sie ihn durchlesen würde. Falls er schlecht geschrieben war, bekäme sie drei Flaschen Champagner. Und falls der unwahrscheinliche Fall eintrat, dass er ihr gefiel, sollte sie mir sagen, wie ich weiter vorgehen möge. Nach vierzehn Tagen antwortete sie mir, dass ihr der Krimi gefiel und dass sie mir weitere Ratschläge erteilen wolle – nur die drei Flaschen Champagner bekäme sie trotzdem. Ein fairer Deal, wie ich fand. Besonders nachdem bereits der zweite angeschriebene Verlag – Gmeiner aus Meßkirch – die Zusage erteilte. Am 8. September 2020, ein Jahr bis zur Erstveröffentlichung im September des darauffolgenden Jahres.

Ich hatte Glück gehabt. Aber auch Können, Ausdauer, Geduld und ein gewisses Geschick in der Kontaktaufnahme mit den Verlagshäusern bewiesen. Wer sich ebenfalls daran versuchen möchte – hier ein paar Ratschläge in Stichwörtern:

  • Schreibe über etwas, das du kennst.
  • Überarbeite den Text, bis du das Gefühl hast, ein sehr gutes Buch geschrieben zu haben
  • Lass es jemanden lesen, der bereits etwas veröffentlicht hat oder der sich mit fiktiven Texten auskennt
  • Nimm konstruktive Kritik an und halte dich beim Umarbeiten an die Verbesserungsvorschläge
  • Sende Verlagen nur eine gute, überarbeitete Fassung zu – je besser sie ist, desto weniger Gründe gibt es für eine Ablehnung
  • Habe Geduld und lass dich nicht von deinem Vorhaben abbringen

…and to Continue…

Das Erste Mal ist immer das schönste: den Debütroman in seinen Händen zu halten, den eigenen Krimi in den Buchhandlungen zu entdecken, zu sehen, wie sich die Verkaufszahlen entwickeln, die ersten Rezensionen und Feedbacks zu bekommen – das alles rechtfertigt den Kalvarienberg des Schreibprozesses, und wie. Ich war stolz, dass es mit dem Veröffentlichen geklappt hatte und hatte keinerlei Ambitionen weiterzumachen. Ich hatte mein Ding geschrieben, das war’s. Konnte nun zu den anderen Hobbys übergehen und meinen 15minütigen Ruhm in Form von wohlwollenden Rezensionen und bewundernden Blicken vergessen.

Meine Lektorin, Claudia Senghaas vom Gmeiner-Verlag, war anderer Meinung. Animierte mich zu einer Fortsetzung, einem zweiten Roman. Ich fühlte mich wie ein Halbschuhtourist, der trotz aller Warnungen den vorgenommenen 8000er bestiegen hatte und nun absolut keine Lust mehr auf eine Wiederholung der Mühen. Dann kam der Anschlag in Wien. Mit vier Toten. Das Wetter schlug um, wurde kalt nebelig und trüb, und die zweite Pandemiewelle rollte heran. Wieder waren wir eingesperrt, saßen erneut in unseren Wohnungen herum und – hatten jede Menge Zeit.

Ich beschloss in den ersten Tagen der zweiten Pandemie einen längeren Spaziergang zu machen. Zum Sankt Marxer Friedhof, wo ich noch nie gewesen war. Einem Friedhof, der seit 140 Jahren aufgelassen war. Ich ging also hin und betrat das riesige Areal mit den verfallenden Gräbern, den schiefen Grabsteinen und den morschen Holzkreuzen. Es war ein Friedhof, wie ich ihn mir immer vorgestellt hatte: verlassen, schaurig, beinahe unwirklich. Kahle Bäume. Menschenleere Kieswege. Dichtes Unterholz. Verblassende Inschriften von Menschen, die längst vergessen waren. Die Vergänglichkeit selbst. Der perfekte Friedhof. Ich ging auf den Pfaden umher, schaute mir ein Grab nach dem anderen an und entdeckte, dass Mozart hier lag – oder liegen musste, weil sein Schachtgrab niemals korrekt identifiziert worden war. Als ich wieder das Eingangstor erreichte, entdeckte ich einen Granitstein, auf dem der Hinweis eingraviert war: dass dieser letzte existierende Biedermeierfriedhof gar kein Friedhof war, sondern ein – Naherholungsgebiet. Eine Parkanlage. Der in meinen Augen perfekte Friedhof war also keiner – weil in Wien kaum etwas so ist, wie es scheint.

Jetzt hatte ich auch meine Idee für den nächsten Roman: in diesem Friedhof würde eine Leiche aufgefunden werden. Die Leiche eines Jungen, vielleicht siebzehn Jahre alt, möglicherweise ein Unfall oder Selbstmord. Bis eine Obduktion etwas anderes ergab: dass der junge Mann umgebracht wurde – ein begnadeter Klavierspieler und sogar Komponist. Dass er am Asperger-Syndrom gelitten hat, einer hochfunktionalen Form des Autismus. Jetzt hatte ich die Ingredienzen meines zweiten Krimis beisammen: den Tod, die Musik und psychische Devianzen. Genau jene drei Säulen, die „mein“ Wien am besten charakterisieren. Besonders für einen Krimi, der hier in diesem Friedhof (der in Wirklichkeit gar keiner war) begann und auch enden würde und damit einen Kreislauf beschrieb, den Kreislauf des Lebens und jenen des Todes.

…and to go on…

Der zweite Krimi war längst nicht so erfolgreich wie der erste. Aber das macht nichts. Ich habe ihn genauso gern geschrieben wie das Debüt, und obwohl er so düster, ja richtig schaurig geworden ist, finde ich ihn sehr treffend für Wien und die Gegenwart, in der wir leben. Der Markt hat es etwas anders gesehen. Die Leserinnen und Leser mochten nach der jahrelangen Pandemie nicht an die dunkelsten Seiten des Lebens. Hinweis: ein Krimi als Bestandteil der Unterhaltungsliteratur sollte vor allem marktfähig sein. Ein hohes Verkaufspotential haben. Das wollen die Verlage, die Agenten und Rezensenten: den nächsten Bestseller – und nichts anderes. Und warum sollte gerade ein Autor etwas dagegen haben?

Bevor es so weit ist, noch ein paar Worte zu meinem dritten Roman: „Pistentod in Lech“, der am 9.10.2024 wieder im Gmeiner-Verlag erscheint. Der erste Selikovsky-Krimi war „hard-boiled“, der zweite „spooky“ und der dritte Roman ist tatsächlich „funny“ geworden. Witzig geschrieben, mit einem – wie ich finde – fulminanten Finale. Und dennoch mit Tiefgang. Ein Krimi, der die mitunter erbarmungslose Konkurrenz zwischen zwei Skigebieten – in diesem Fall Lech und Ischgl – zum Inhalt hat.

Diesmal geht es allerdings nicht um ein Verbrechen. Oder etwa doch?! Ist alles so, wie es scheint? Oder doch vollkommen anders? Und sind das nicht jene Fragen, die auch alles andere einschließen – das ganze verwirrend scheinende Leben?

Wie auch immer: Gute Unterhaltung – and keep reading!